Meine Arbeit als Aromatherapeutin bringt mir täglich ein Paradoxon: einerseits beschäftigen sich Menschen wenig mit Düften und dem Geruchssinn, andererseits sind Düfte immer stärker in allen Bereichen des Lebens zu finden. Die Verwendung von Aromen in so unterschiedlichen Branchen wie Lebensmittel und Getränke, Kosmetik, Toilettenartikel, Duftstoffe und Pharmazeutika ließ laut Global Market Insights Inc die Größe des globalen Marktes für ätherische Öle im Jahr 2018 7,5 Milliarden USD übersteigen und wird bis 2026 auf über 15 Milliarden USD geschätzt (Ahuja und Singh, 2019).
Während in diesen Bereichen oft (auch) künstlich hergestellte Duftstoffe (mit allen gesundheitlichen Nachteilen) verwendet werden, kommt die Nachfrage nach Extrakten aus ökologisch anfälligen und bedrohten Heil- und Aromapflanzenarten insbesondere aus dem Einzelhandel mit ätherischen Ölen und dem Aromatherapie-Markt.
Unkenntnis, Unbedachtheit und Konsumfreude von Verbrauchern die Träger- und ätherische Öle wie beispielsweise das von Aniba rosaeodora (Rosenholz) betreffend belastet bereits gefährdete Arten zusätzlich, da insbesondere die erhöhte Nachfrage von Multi-Level-Vermarktern nicht nur den Fortbestand der Art gefährdet, sondern auch zur Abholzung beiträgt.
Laut Kelly Ablard, Leiterin des Airmid-Instituts sind 1.000.000 Pflanzenarten vom Aussterben bedroht (2020), das bedeutet 2 von 5 Arten oder 40%. Bei den medizinischen Pflanzen sind es 13%, bei den Pflanzen die ätherischen Öle produzieren auch bereits 10% (2021). Die Frage der Nachhaltigkeit von Pflanzen, die Trägerstoffe und ätherische Öle enthalten, ist untrennbar mit der Bedrohung der globalen natürlichen Umwelt verbunden: Klimawandel, Störung der Lebensräume und eine nicht nachhaltige Bewirtschaftung mit fehlender Regeneration beeinflussen Pflanzen und deren Produktion ätherischer Öle sowohl qualitativ als auch quantitativ.
Ein interessantes und trauriges Detail ist, dass das Fehlen einer nachhaltigen Versorgung mit bestimmten Ölen zwar ihren Marktwert und damit ihren relativen Gewinn für Einzelhändler in die Höhe treibt. Allerdings kommt dieser überhöhte Wert selten den manchmal verarmten Gemeinden zugute, die das Pflanzenmaterial für die Destillation ernten und sammeln. Und allzu oft werden Pflanzenmaterial und Extrakte bedrohter und fast bedrohter Pflanzenarten illegal exportiert, ohne die ordnungsgemäße Zertifizierung, die gemäß CITES (Convention on International Trade in Endangered Species of Wild Fauna and Flora) erforderlich ist. Ihre ätherischen Öle werden auch anfälliger für Verfälschungen, da die Streckung mit ähnlich riechenden preiswerten Ölen für den Händler natürlich mehr Profit bedeutet – für den Nutzer allerdings ggf. mangelnde oder konträre therapeutische Wirkung in der Anwendung.
In ihrem aktuellen Bericht listet das internationale Airmid-Institut über 50 weltweit gefährdete Pflanzen auf, deren Bestand wir letzten Endes mit dem Kauf des jeweiligen Öls (bei den mit * markierten ist dies vordergründig bereits heute der Fall) weiter gefährden.
Dazu gehören so bekannte Namen wie:
Atlas-Zeder (Cedrus atlantica)
Eukalyptus (Eucalyptus radiata)
Libanon-Zeder (Cedrus libani)
Narde (Nardostachys jatamansi, N. grandiflora, N. chinensis)
Palo Santo (Gonopterodendron sarmientoi)
Ravintsara (Ravensara aromatica)
Rosenholz* (Aniba rosaeodora)
Sandelholz (Santalum album*, S. austrocaledonicum, S. freycinetianum, S. paniculatum, S. spicatum)
Weihrauch (Boswellia carteri, B. frereana, B. occulta, B. papyrifera, B. sacra)
Vanille (Vanilla planifolia)
sowie (leider) viele weitere vielleicht weniger genutzte oder bekannte aromatische Pflanzen, die in der klinischen Aromatherapie eine Rolle spielen..
Was kann man selbst tun, um Aromatherapie nachhaltig zu nutzen?
Für den ressourcensensiblen Kauf und die nachhaltige Anwendung von ätherischen Ölen hast du mehrere Möglichkeiten:
➡️ Informiere dich, welche Arten überhaupt aktuell bedroht sind. Das geht einfach über die halbjährlich aktualisierte Liste bedrohter, fast bedrohter und CITES-geschützter Pflanzen- und Tierarten, die in der Aromatherapie und Parfümerie verwendet werden vom Airmid-Institut. Das Airmid-Institut stellt diese Liste in verschiedenen Sprachen, darunter auch deutsch, zur Verfügung (Anmeldung für die Liste hier.)
Das Airmid-Institut kannst du auch als Mitglied unterstützen. Damit hilfst du der gemeinnützigen Organisation, Schlüsselfragen im Zusammenhang mit der Ernte von und dem Handel mit bedrohten und nahezu bedrohten Trägerpflanzen und ätherischen Ölen enthaltenden Pflanzenarten ganzheitlich anzugehen. Dazu gehört, den gefährlichen Erhaltungszustand dieser Arten hervorzuheben; sicherzustellen, dass Öle, die eine CITES-Zertifizierung erfordern, legal verkauft werden; Zusammenarbeit mit Regierungsbehörden und anderen Organisationen zur Bekämpfung von unethischem Ernten und illegalem Export und Handel; und Unterstützung lokaler Gemeinschaften, die für ihren Lebensunterhalt auf diese Arten angewiesen sind, indem nachhaltige Landwirtschaft und Wiederaufforstung gefördert werden.
➡️ Kaufe ätherische Öle aus bedrohten Pflanzenarten nicht mehr, sondern suche nach Alternativen. Diese können je nach Zweck der Mischung oder Anwendung Alternativen im Duft, Alternativen in den wirksamen Inhaltsstoffen oder Alternativen in der Komposition (Basis-, Herz- oder Kopfnote) sein. Sei kreativ und scheue dich nicht vor neuen Resultaten! Oder frage bei Unsicherheit gern deine/n ausgebildete/n Aromatherapeut:in.
➡️ Untersuche die Zusammenhänge auf Seiten der Produktion. Wie: Stell Händlern und Produzent:innen Fragen – vor dem Kauf und auch wenn du die Öle schon länger bei dir hast! Interviewe sie, wie ihre Öle produziert werden, wo sie geerntet werden, wie die Pflanzen wachsen, ob Kooperationen bestehen oder Öle auf dem Weltmarkt gekauft werden, gibt es die Möglichkeit der Rückverfolgung der Lieferkette, wie reagiert die Firma eigentlich auf diese Nachfragen?
Schau dir unbedingt auch diese aktuelle Doku über Raubbau an Weihrauch an:
➡️ Verwende mehr und mehr oder möglichst nur regionale Öle. Natürlich ist es schwer, auf Teebaumöl oder vielleicht Ylang-Ylang zu verzichten. Aber unmöglich ist es nicht. In meiner Praxis achte ich darauf, meine internationalen Öle bestmöglich mit regionalen Alternativen zu ersetzen wenn ich Mischungen mache. Das funktioniert aus nicht immer, aber doch sehr oft. Und mit jedem Nicht-Verwenden habe ich einen Schritt in Richtung Nicht-Kaufen und damit am Ende auch Nicht-Produzieren gemacht. Selbstverantwortlich. Das kannst du auch. Und oft ist regional näher als man denkt. Wußtest du, dass Lavendel bspw. auch in Deutschland angebaut wird? Eben.
➡️ Nutze Öle, die CO2-extrahiert sind. Im Gegensatz zur klassischen Wasserdampfdestillation kann in diesem Verfahren (mit CO2 nämlich) sehr viel gespart werden: kostbares Wasser, welches bei normalen Produktionen zu riesigen Mengen verbraucht wird und nicht immer auch als Hydrolat weiterverwendet wird sondern oft einfach entsorgt. Das ist schade, denn Wasser ist unser kostbarstes Gut und wird auf der Erde immer mehr zur Mangelware. Die neue CO2-Extraktion ist ressourcenschonend und bringt zum Teil unglaublich tolle Öle hervor. Schau auf deine Verpackungen, um genau zu lesen, wie deine Öle hergestellt wurden!
Bei Fragen stehe ich jederzeit und sehr gerne zur Verfügung.
Go green and sustainable in aromatherapy!
Deine: Julia 🌸
Comments